Rumi

 

Wende dich nicht ab.

Schau weiter auf die verwundete Stelle.

Dort wird das Licht in dich eindringen.

 

* * *

Laß Dich ziehen von dem Sog dessen, was Du wirklich liebst.

 

* * * 

 

Sei wie ein Fluß bei tätiger Freigiebigkeit und Hilfe.

Sei wie die Sonne im Verbreiten von Erbarmen und Güte.

Sei wie die Nacht im Verdecken der Fehler von anderen.

Sei wie ein Toter hinsichtlich Fanatismus und Harschem.

Sei wie der Erdboden in Bescheidenheit und Genügsamkeit.

Sei wie das Meer in Duldsamkeit.

Zeig dich entweder so, wie du bist, oder sei so, wie du dich zeigst.

 

 

* * *

DU und ICH

Herrlich ist der Augenblick,

in dem wir im Palast sitzen,

du und ich;

zwei Gestalten,

zwei Gesichter,

aber nur eine Seele,

DU und ICH.

 

Und die Blumen werden aufstrahlen,

und die Vögel werden rufen

und uns mit Unsterblichkeit überschütten

in dem Augenblick,

in dem wir den Garten betreten,

DU und ICH.

 

Welch ein Wunder,

du und ich,

eine Liebe,

ein Liebender,

ein Feuer,

DU und ICH

 

* * *

 

Liebende finden sich nicht

irgendwann, irgendwo –

sie sind die ganze Zeit ineinander .

 

* * *

 

Die Stille bedeutet mehr

Als tausend Leben,

und diese Freiheit ist mehr wert

als alle Reiche der Welt.

Die Wahrheit in sich selbst erblicken,

für einen Augenblick,

gilt mehr als alle Himmel,

mehr als alle Welten,

mehr als alles, was es gibt.

 

* * *

 

Dieser neuen Liebe inne, stirb.

Dein Weg beginnt drüben.

Werde der Himmel.

Lege die Axt an dein Gefängnis.

Entrinne.

Tritt ins Freie, wie ein plötzlich in Farbe Geborener.

Jetzt !

Von dichten Wolken bist Du eingehüllt.

Stiehl Dich seitwärts hinaus.

Stirb und sei still.

Stille ist das sicherste Zeichen deines Gestorbenseins.

Dein altes Leben war kopflose Flucht vor dem Schweigen.

Wortlos bricht der Vollmond hervor.

 

* * *

 

Inschrift auf dem Grab von Rumi:

 

Komm, wer du auch seiest!

Wanderer, Anbeter, Liebhaber des Loslassens, komm.

Dies ist keine Karawane der Verzweiflung.

Auch wenn du deinen Eid tausendmal gebrochen hast,

komm nur,

und noch einmal: komm.

 

 

Dschelaleddin Rumi (1207 – 1273)