Erich Fried

 

Es ist Unsinn, sagt die Vernunft.

Es ist, was es ist, sagt die Liebe.

Es ist Unglück, sagt die Berechnung.

Es ist nichts als Schmerz, sagt die Angst.

Es ist aussichtslos, sagt die Einsicht.

Es ist, was es ist, sagt die Liebe.

Es ist lächerlich, sagt der Stolz.

Es ist leichtsinnig, sagt die Vorsicht.

Es ist unmöglich, sagt die Erfahrung.

 

Es ist, was es ist  –  sagt die Liebe.

 

Dich

Dich

dich sein lassen

ganz dich

Sehen

daß du nur du bist

wenn du alles bist

was du bist

das Zarte

und das Wilde

das was sich losreißen

und das was sich anschmiegen will

 

Wer nur die Hälfte liebt

der liebt dich nicht halb

sondern gar nicht

der will dich zurechtschneiden

amputieren

verstümmeln

Dich dich sein lassen

ob das schwer oder leicht ist?

 

Es kommt nicht darauf an mit wieviel

Vorbedacht und Verstand

sondern mit wieviel Liebe und mit wieviel

offener Sehnsucht nach allem –

nach allem

was du bist

 

Nach der Wärme

und nach der Kälte

nach der Güte

und nach dem Starsinn

nach deinem Willen

und Unwillen

nach jeder deiner Gebärden

nach deiner Ungebärdigkeit

Unstetigkeit

Stetigkeit

Dann

ist dieses

dich dich sein lassen

vielleicht

gar nicht so schwer

 

Erich Fried (1921 – 1988)